Seit Juli 2013 verhandelt die Europäische Union mit den USA über ein Freihandelsabkommen, die Transatlantische Handels und Investitionspartnerschaft TTIP (Transatlantic Trade and Investment Partnership).

Diese Verhandlungen werden geheim geführt unter Beteiligung zahlreicher Interessengruppen der Wirtschaft, Inhalte werden nicht öffentlich gemacht. In der Zwischenzeit sind jedoch zahlreiche Verhandlungsdokumente durchgesickert.

Bei den Verhandlungen zwischen der EU und den USA um das Transnationale Investitions- und Freihandelsabkommen (TTIP) geht es nicht nur um Warenhandel, sondern in nicht geringem Umfang um den Handel mit Dienstleitungen. Nicht nur um Dienstleistungen, die von Privatpersonen oder Unternehmen erbracht und in Anspruch genommen werden, sondern auch um öffentliche Dienstleistungen. Für viele öffentliche Dienstleistungen sind in Deutschland die Kommunen zuständig. Sie erstellen diese entweder selbst oder geben ihre Erstellung bei privaten oder halböffentlichen Unternehmen in Auftrag. Daher liegt es nahe, dass Städte und Gemeinden von TTIP betroffen sein werden und zwar in dreierlei Hinsicht.

1. Das TTIP wird Einfluss darauf haben, welche Dienstleistungen zukünftig noch von Städten und Gemeinden selbst erstellt werden dürfen. (Daseinsvorsorge und Subsidiaritätsprinzip)

2. Welche Dienstleistungen in einem Wettbewerbsverfahren ausgeschrieben werden müssen und unter welchen Bedingungen dies zu erfolgen hat, wird auch von den Regelungen dazu im TTIP abhängen.

3. Die Investitionsschutzregelungen des TTIP werden voraussichtlich dazu führen, dass die Entscheidungsfreiheit der Kommunen eingeschränkt wird, weil sie Schadensersatzansprüche von Investoren befürchten müssen.


Beispiele:

1. Das TTIP als Brechstange für weitere Privatisierungen bei den Kommunen
In seiner Stellungnahme zum TTIP vom November 2013 bringt der Bayrische Städtetag seine Sorge zum Ausdruck, dass mit dem TTIP der Privatisierungsdruck auf Städte und Gemeinde zunehmen wird. Wie kommt er darauf? Beim TTIP werden so genannte Negativlisten verhandelt, auf denen unter anderem Dienstleistungen, bzw. Regelungen zu ihnen aufgelistet sind. Alle Dienstleistungen, die auf diesen Listen stehen, werden nicht dem Markt geöffnet. Für alle Dienstleistungen, die nicht auf ihnen stehen, muss freier Marktzugang gewährleistet werden. Die Negativliste besteht aus zwei Teilen. Im Anhang I werden bereits bestehende Maßnahmen aufgelistet (Gesetze oder Verwaltungspraxis), die zukünftig gegen das Abkommen verstoßen würden, aber beibehalten werden dürfen. Alle Maßnahmen die nicht aufgelistet sind, aber gegen das Abkommen verstoßen, müssen abgeschafft werden. Im Anhang II werden sowohl bestehende wie zukünftige Regelungen aufgenommen. Alle Dienstleistungen, die nicht auf dieser Liste stehen, müssen dann liberalisiert werden. Die EU hat in ihrem Verhandlungsmandat definiert, dass nur wenige öffentliche Dienstleistungen wie Justiz, Polizei, Strafvollzug u.ä. von der Liberalisierung ausgeklammert werden sollen, nicht aber Bildung, Kultur, Wasser und Abwasser. In einem vom Verband kommunaler Unternehmen e.V. (VKU) beauftragten Gutachten wird dazu für den Wasserbereich festgestellt, dass damit nationale oder lokale Einschränkungen, die Wasserversorgungen nur über öffentliche Unternehmen erstellen zu lassen, nicht mehr zulässig wären. Damit würde die Privatisierung der Wasserversorgung, um die es in der Vergangenheit in der Bundesrepublik eine breit geführte öffentliche Debatte gegeben hat und die von der Bevölkerung abgelehnt wird, durch die Hintertür erzwungen.

2. Ausschreibungspflichten und die Ökonomisierung des kommunalen Handels
Wenn eine Kommune ihre Schulen sanieren will, darf sie sich nicht einfach auf dem Markt umsehen und dann eine Firma mit der Sanierung der Schule beauftragen weil diese am Ort ansässig ist, besonders ökologisch arbeitet, die örtlichen Sportvereine unterstützt oder Ausbildungsplätze zur Verfügung stellt.
Kommunen müssen über ein Ausschreibungsverfahren bekannt geben, dass sie die Sanierung einer Schule beabsichtigen und den Auftrag dann an das Unternehmen geben, dass ihnen das wirtschaftlichste Angebot unterbreitet. Andere soziale oder ökologische Aspekte dürfen in der Regel keine Rolle spielen.
Nun ist dies bei der Sanierung einer Schule vielleicht ärgerlich aber nicht so kritisch. Ganz anders sieht es aus, wenn beispielsweise kulturelle Leistungen (Theater), Bildungsleistungen (Volkshochschule, Hausaufgabenbetreuung) oder Leistungen der Jugendhilfe (Wohngruppen) ausgeschrieben werden müssen und an denjenigen Anbieter gehen, der das günstigste Angebot abgibt. Mit dem TTIP, so befürchten viele Vertreterinnen von Städten und Gemeinden, wird sich dieser Zwang zur Ausschreibung auf viel mehr öffentliche Dienstleistungen als bisher ausweiten. Wenn ein Verein ein kommunales Kino betreibt und dafür Zuschüsse der Kommune erhält, könnte diese gezwungen werden, dies als öffentlichen Auftrag auszuschreiben. Sie müssen dann allein nach wirtschaftliche Kriterien und ohne Berücksichtigung von sozialen, lokalen, kulturellen oder sonstigen Fragen, den Auftrag an das Unternehmen vergeben, das das wirtschaftlichste Angebot vorlegt.
Mit TTIP wird dieser Trend nochmals deutlich verstärkt und vor allem unumkehrbar gemacht. Denn, was im TTIP einmal vertraglich vereinbart ist, ist nahezu nicht rückholbar.

3. TTIP und Investitionsschutz
Mit dem TTIP sollen Investoren vor direkter oder indirekter Enteignung geschützt werden. Was soll das mit Städten und Gemeinden zu tun haben? Plant etwas eine Kommune die lokale Niederlassung der Deutschen Bank zu beschlagnahmen? Ganz sicher nicht. Trotzdem werden die Vertragsvereinbarungen zum Investorenschutz Auswirkungen auf den politischen Handlungsspielraum von Kommunen haben.
Verschärft sie beispielweise Umweltauflagen und macht damit eine Fabrik in ihrem Gemeindegebiet unrentabel, die ohne die Auflagen satte Profite eingefahren hätte, kann der Investor dies als indirekte Enteignung interpretieren. Er hat Kapital in eine Anlage gesteckt, die erst durch die Umweltauflagen ihre Profitabilität verliert und kann die Entwertung von investiertem Kapital vor ein Schiedsgericht bringen und von der Kommune Schadensersatz fordern. Diese Schiedsgerichte sind keine ordentlichen Gerichte, in denen RichterInnen im Rahmen bestehender Gesetze Recht sprechen, sondern geheim tagende Gremien, in denen Deals aushandeln werden.
Diese Art Investorenschutz wird dazu führen, dass sich eine Kommune sehr genau überlegt, ob sie zum Beispiel Umweltauflagen verschärft oder Regularien zum Bau preiswerter Wohnungen in Bebauungspläne hineinschreibt, wenn sie befürchten muss, dafür Schadenersatz bezahlen zu müssen.

Der Deutsche Städtetag, der Deutsche Landkreistag und der Deutsche Städte- und Gemeindebund kritisieren in ihrem Positionspapier vom Oktober 2014 genau diese Punkte:

„Kommunale Selbstverwaltung heißt auch Organisationsfreiheit der Kommunen im Bereich der Daseinsvorsorge. Die Kommunen verantworten die Leistungen der Daseinsvorsorge für Ihre Bürgerinnen und Bürger. In ihrem Interesse wird vor Ort die jeweils beste Organisationsform gewählt. Das europäische Recht akzeptiert grundsätzlich den weiten Handlungsspielraum der Kommunen bei der Organisation der Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse. Marktzugangsverpflichtungen im Rahmen von Freihandelsabkommen, wie sie beispielsweise im TTIP vorgesehen werden sollen, sind jedoch geeignet, diese kommunale Organisationsfreiheit auszuhöhlen: Sollten typische kommunale Dienstleistungen wie die Trinkwasserver- und Abwasserentsorgung, der Öffentliche Personennahverkehr, Sozialdienstleistungen, Krankenhäuser oder die Kultur Regeln zur Liberalisierung unterworfen werden, würde die derzeit garantierte umfassende Organisationsentscheidung von Kommunalvertretern durch rein am Wettbewerbsgedanken ausgerichtete einheitliche Verfahren ersetzt.“
Grundsätzliche Kritik äußern beispielhaft auch 16 Bürgermeister des Landkreises Roth und stellen hierzu fest: "Obwohl die EU laut Lissabon-Vertrag und gemäß dem Subsidiaritätsprinzip nicht in die kommunale Selbstverwaltung eingreifen darf, duldet unsere Bundesregierung mit den Verträgen (CETA & TTIP & TiSA) diesen Gesetzesübertritt und befördert ihn sogar noch."

Zum Abschluss:
Etwas Gutes haben die Auseinandersetzung um TTIP, CETA und TiSA. Sie stoßen Diskussionen an, die weit über die Freihandelsabkommen hinausgehen und in Vorschläge zu einer alternativen Handelspolitik münden. Einer Handelspolitik, die sich an den Bedürfnissen der Menschen und der Umwelt orientiert und sich für einen gerechten Welthandel einsetzt.

Der Deutsche Städtetag und andere Organisationen, mit ihrem Positionspapier vom Oktober 2014, viele große und kleine Städte, Gemeinden und Landkreise, von Flensburg im Norden bis Oberammergau im Süden und unsere Nachbargemeinde Kusterdingen haben in diesem und im letzten Jahr ihre Zuständigkeit und Verantwortung erkannt und sich kritisch bis ablehnend zu TTIP, CETA und TiSA geäußert.

Nehmen wir unsere kommunalpolitische Verantwortung im Sinne der Daseinsvorsorge für die Bürger der Gemeinde Gomaringen wahr und tun es mit der vorgelegten Stellungnahme ihnen gleich.

Grüne Liste Gomaringen
Gemeinderatsfraktion
Petra Rupp-Wiese
Dr. Hartmut Rombach
Dietrich Rebstock

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Bitte per email an info@gruene-liste-gomaringen.de . Danke!