Position der Grünen Liste zum Bau von Windkraftanlagen auf Gomaringer Gemarkung

Warum überhaupt Windkraftanlagen hier bei uns?

Was die Energieversorgung angeht, ist Gomaringen extrem abhängig von Lieferungen von "auswärts":

Wie riskant diese Situation ist, haben wir lernen müssen spätestens, als Russland die Gasversorgung gestoppt hat.

Dazu kommt der ökologische Aspekt:

Das Ziel, die Klimaerwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen, ist kaum noch zu schaffen. Selbst für eine Begrenzung auf 2,0 Grad sind schnelle und radikale Maßnahmen erforderlich (Quelle: SPIEGEL - CO₂-Budget - Wie viel CO₂ darf die Menschheit noch ausstoßen?)

Die Folgen der Klimaerwärmung auf unsere Wettersituation, unsere Landwirtschaft und eben unser Leben hier sind für mich ein Horror-Szenario. Noch viel schlimmer sind aber die sozialen Umwälzungen. 

Für Gomaringen bedeutet das, sowohl die Energieerzeugung wie auch den Energieverbrauch radikal umzustellen weg von fossilen Brennstoffen und hin zu erneuerbaren Energien.


Wie sehen die rechtlichen Rahmenbedingungen für den Windkraft-Ausbau hier in Baden-Württemberg aus?

Das Klimaschutzgesetz Baden-Württemberg fordert (KlimaG BW §20), dass in jedem Regionalverband 1,8% der Fläche für Windkraft ausgewiesen wird. Gomaringen gehört zum Regionalverband Neckar-Alb (abgekürzt RVNA, das ist der Zusammenschluss der Kreise Reutlingen, Tübingen und Zollern-Alb).

Wenn der Regionalverband bis zum 30.09.2025 nicht mindestens 1,8% der Fläche für Windkraft ausweist, tritt die „Super-Privilegierung“ in Kraft (§ 249 Abs. 7 BauGB). Dann können Windkraftanlagen überall dort gebaut werden, wo sie nicht ausdrücklich verboten sind. Sie sind dann im ganzen Außenbereich privilegiert zulässig und weder Darstellungen in Flächennutzungsplänen noch Festlegungen in Regionalplänen können dem entgegen gehalten werden. Weder die Beeinträchtigung des Landschaftsbilds noch ökologische Aspekte, wie eine mögliche Umzingelung von Gemeinden kann dies verhindern. Das muss vermieden werden!


Wie geht der Regionalverband Neckar-Alb das Thema an?

Der Regionalverband hat bereits im Sommer 2022 die "Regionale Planungsoffensive Erneuerbare Energien" und die Teilfortschreibung der Regionalpläne Windkraft sowie Solarenergie beschlossen (TOP 1 aus Sitzung 26.07.2022 Verbandsversammlung). Nach eingehenden Beratungen hat der Regionalverband im Frühjahr 2023 eine Karte veröffentlicht, auf denen alle Flächen, auf denen der Bau von Windkraftanlagen NICHT zulässig ist, grau überdeckt sind.(TOP 1 (Ö) aus Sitzung 28.03.2023 Verbandsversammlung )

Übriggeblieben sind in unserer Nähe zwei Flächen:

  • Die Fläche RT-TÜ-01 geht entlang der verlängerten Alteburgstraße am Horn entlang in Richtung Hofgut Alteburg. Die östliche Hälfte des Gebiets gehört zur Gemarkung Gomaringen, der westliche Teil zu Bronnweiler und damit Reutlingen.
  • Die Fläche RT-TÜ-02 erstreckt sich im Wald zwischen Gomaringen, Gönningen, Öschingen und Nehren.

Die Umweltprüfung für beide Gebiete hat ergeben:

Sehr konfliktbehaftetes Vorranggebiet (Natura 2000-Verträglichkeitsprüfung notwendig, Konfliktlösung im 500m Umfeld unklar): regional besonders erhebliche negative Umweltauswirkung zu erwarten. Um dies abzumildern wurden beide Gebiete verkleinert.(TOP 1 (Ö) aus Sitzung 05.12.2023 Verbandsversammlung)

Wichtig ist: Die Prüfung der Ausschluss-Gründe ist noch nicht abgeschlossen. Möglicherweise müssen die Flächen noch weiter verkleinert werden, weil z.B. die Bundeswehr dort eine Hubschrauber-Tiefflugzone reserviert. Ebenso kann im Rahmen des aktuellen Beteiligungsverfahrens eine weitere Reduzierung erfolgen.


Im Kern geht es also um die Klärung folgender Fragen:

  • Welche Schäden an der Umwelt müssen befürchtet werden durch den Bau von Windkraftanlagen auf diesen Flächen?
  • Was können wir tun, um diese Schäden zu vermeiden oder zumindest zu verringern?
  • Und final: Wollen wir die Schäden, die trotz der im Umweltbericht festgelegten Maßnahmen entstehen, akzeptieren, oder wollen wir den Bau auf der betreffenden Fläche vollständig ablehnen?
    Risiko dabei ist: Wenn im Regionalverband die geforderten 1,8% der Fläche nicht ausgewiesen werden können, tritt die Super-Privilegierung in Kraft, und die Gemeinde hat keinerlei Einflussmöglichkeiten mehr. Das wäre in unseren Augen der GAU für Gomaringen.


Unsere Meinung:

Für eine finale Abwägung und Entscheidung ist es noch zu früh im Verfahren. Aber eins ist für uns völlig klar:

Der Ausbau der erneuerbaren Energien ist für den Ausstieg aus der klimabelastenden Energieerzeugung mit den fossilen Brennstoffen Öl, Gas und Kohle unverzichtbar. Die durch den Klimawandel an der Umwelt entstehenden Schäden sind weit größer als durch den Bau der Windkraftanlagen. Im Gegenteil: Der Umbau unserer Energieerzeugung weg von fossilen Brennstoffen hin zu Windkraft und Photovoltaik ist der wichtigste Hebel, die Klimaerwärmung zu begrenzen. Selbstverständlich müssen die Anlagen selbst so geplant, gebaut und betrieben werden, dass Schäden so weit wie möglich vermieden werden.

Im Vergleich zu den Schäden durch den Klimawandel ist die Veränderung des Landschaftsbildes in unseren Augen völlig untergeordnet.

Klar ist aber auch: Wir hier in Gomaringen können die Welt nicht allein retten. Wenn es aber eine Nation, die weit oben in der Liste der Staaten mit der höchsten pro Kopf - CO2-Emissionen steht, nicht schafft, ihren CO2-Ausstoß drastisch zu reduzieren, warum sollten es dann Staaten versuchen, die wesentlich weniger emittieren?


Jetzt aber zu den Fragen, die speziell die Anlagen in Gomaringen betreffen:

Was soll das? Windkraftanlagen hier, wo kaum Wind weht!

Wer z.B. an der Nehrener Freizeitanlage "Kirschenfeld" (464 m über NN) steht, hat nach Westen freien Blick bis in den Nord-Schwarzwald, und nach Norden hin bis nach Stuttgart. Dazwischen ist alles einigermaßen flach. Auf der anderen Seite, also Richtung Gönningen oder Richtung Roßberg sieht man den Wald, der langsam auf 800 m Höhe ansteigt. Wenn der Wind, wie meistens, von Nordwesten her kommt, strömt die Luft über viele Kilometer nahezu ungestört über's Kirschenfeld an, steigt über dem Wald auf, und fließt dann über die Schönbergwiesen weiter. WKAs, die relativ weit oben im Wald stehen, haben deshalb optimale Bedingungen, was die anströmende Luft angeht. Der Windatlas BW von 2019 gibt für die Region, in der die WKAs stehen sollen, eine mittlere gekappte Windleistungsdichte von 190 - 250 W/m² an, und das ist völlig ausreichend für den Betrieb von WKAs.


Die Anlagen werden riesig!

Die Fläche RT-TÜ-02 südlich Gomaringen liegt zum größten Teil knapp 500 m über NN. Dahinter liegen die Schönberg-Wiesen auf ca. 800 m über NN. Und die WKAs sollen eine Nabenhöhe von 180 m und einen Rotor-Radius von 90 m haben, d.h. deren maximale Höhe beträgt 270 m. Wer also z.B. von Hinterweiler aus in Richtung Schönbergwiesen schaut, sieht, dass die WKAs niedriger als die Wiesen sind. Klar, wer dicht an der Anlage steht, für den sehen sie weit größer als alles andere in der Umgebung aus, aber das liegt allein an der Perspektive.


Warum so viele Anlagen?

Zunächst einmal: Wir sind noch am Beginn der Planung. Ob die Flächen so groß bleiben, wie aktuell vorgestellt, ist noch nicht klar. Im Herbst 2025, wenn alle Unterlagen zu den Flächen vorliegen und auch das Beteiligungsverfahren abgeschlossen ist, wird final über alle Flächen entschieden. Erst danach werden potenzielle Investoren angefragt, diese entwickeln einen Plan, wie sie die Flächen bestücken wollen, wenn sie denn den Auftrag dazu bekommen. Auch darüber muss der Gemeinderat Gomaringen entscheiden und erst dann ist klar, wo die Anlagen hin kommen und wie viele gebaut werden sollen.


So viele Anlagen dicht nebeneinander, dafür muss doch der ganze Wald gerodet werden!

WKAs dürfen nicht "dicht an dicht" stehen, weil jede Anlage Verwirbelungen erzeugt. Festgelegt ist ein Abstand von mindestens 800 m in Hauptwindrichtung und mindestens 500 m quer dazu. Jede WKA benötigt also eine elliptische Fläche von mindestens 314.000 m². Dauerhaft müssen 4.300 m² gerodet werden, dazu kommen für die Bauphase weitere 3.500 m². Die Zuwegung benötigt eine befahrbare Breite von 4 m, im Mittel fallen für die Zuwegung 8 m * 700 m = 5.600 m² an. (Das sind nur die Wege von einer WKA zur nächsten. Wie lang der Weg von der Straße zum Baufeld ist, kann ich zur Zeit nicht abschätzen.) Insgesamt werden während der Bauphase also ca. 13.400 m² benötigt, das sind 4,3% der Fläche. Alles andere kann so bleiben, wie es ist. (Quelle: Präsentation der endura KOMMUNAL vom 12.11.2021 in Freigericht, Hessen)

Die Gemeinde ist doch nur scharf auf die hohen Einnahmen

Unbestritten, Gomaringen ist als Wohnort durchaus attraktiv, schließlich gibt es hier nicht nur Wohngebiete, sondern auch eine gute Infrastruktur. Kindergärten, Schulen, Einkaufsmöglichkeiten, Medizinische Versorgung, Wohn- bzw. Pflegeanlagen für Ältere, und eben auch das Straßen-, Gas-, Wasser- und Abwassernetz, all das muß finanziert werden. Und genau da liegt das Problem:
Die Finanzmittel, die Gomaringen dafür zur Verfügung stehen, sind erheblich geringer als in den letzten Jahren, und sie werden noch weiter sinken. Dagegen stehen in den nächsten Jahren viele "muß"-Aufgaben an:

  • Umbau des Feuerwehrhauses
  • Erweiterung der Hubland-Schule
  • Sanierung der Schlossschule
  • Sanierung des Kindergarten Riedstraße
  • der Bau des Regenüberlaufbecken in der Gotthold-Kindler-Straße
  • Sanierung verschiedener Straßen, in denen es immer wieder zu Rohrbrüchen kommt
  • die Anpassung unseres Orts an die Klimaerwärmung (lange Hitzeperioden, aber auch Starkregen-Ereignisse)

Es ist also nicht so, dass Gomaringen das Geld aus dem Bau und Ertrag der Windkraftanlagen gerne nimmt, um weitere schöne (aber nicht unbedingt nötige) Maßnahmen zu finanzieren. Im Gegenteil: Das Geld wird dringend gebraucht, um zu finanzieren, was zwingend erforderlich ist.
Ohne die Einnahmen aus dem Bau von Windkraft-Anlagen müsste all das durch Kredite finanziert werden, und das würde die pro-Kopf-Verschuldung von aktuell 1.844 € (Dez. 2023) auf 3.547 € (Dez. 2027) hoch treiben (Quelle: Rede des Bürgermeisters bei der Einbringung des Haushalts 2024). Das will niemand.


Jetzt gibt's natürlich noch viel mehr Themen, die immer wieder gegen den Bau von WKAs angeführt werden. 
Ein großer Teil davon wird in den hier verlinkten Webseiten diskutiert und bewertet:


Positionspapiere von BUND und NABU

Faktencheck Windenergie - Antworten von BUND und NABU auf häufige Einwände gegen Windkraftanlagen

Naturverträglicher Ausbau der Windenergie - NABU-Positionspapier zeigt Möglichkeiten auf

Positionierung des BUND zur Bürgerinitiative "Rettet den Rammert" und zum naturverträglichen Ausbau der Windenergie


weitere Faktenchecks

Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz: Faktencheck: Vorurteile gegenüber der Windenergie

heise online: Windenergie und Photovoltaik: Hartnäckige Mythen im Faktencheck

Energie-Atlas Bayern: Fragen, die zur Nutzung der Windenergie immer wieder gestellt werden


Einzelthemen / Behauptungen zur Windkraft

Vogelschutz

Bundesamt für Naturschutz: Vögel und Windenergienutzung - Antikollisionssysteme in der Praxis: Veröffentlichungen des Bundesamts für Naturschutz

Ökobilanz

Umweltbundesamt: Ökobilanzen von Onshore-Windenergieanlagen

mdr wissen: Stimmt nicht: Windräder: Bau setzt mehr CO2 frei, als durch Betrieb gespart wird

Schattenschlag

Energiewende.eu: Behauptungen zur Windkraft – Schattenschlag

Veränderung des Klimas

BR24: #Faktenfuchs: Kein Klimawandel und keine Dürren wegen Windrädern

Infraschall

Bayrisches Landesamt für Umwelt: Windenergieanlagen, Infraschall und Gesundheit

Landesanstalt für Umwelt BW: Tieffrequente Geräusche inkl. Infraschall von Windkraftanlagen und anderen Quellen

Bundesverband für Windenergie: Faktencheck: Windenergie und Infraschall

Zeitschrift für medizinische Prävention: Infraschall von Windenergieanlagen: keine Gefahr für die Gesundheit der Bevölkerung

Bayreuther Zentrum für Ökologie und Umweltforschung: Diskussionsseiten zu Infraschall

Klimakiller Schwefelhexafluorid(SF6) in Windkraftanlagen

BUND Naturschutz: SF6 in Windenergiealnagen

ElektrizitätsWerke Schönau: SF6 (Schwefelhexaflourid) – Klimakiller im Windrad?


Sachbearbeitung Dr. Hartmut Rombach

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